EIN SOMMERNACHTSTRAUM - AKT 4

Irgendwie nach William Shakespeare

Jede noch so turbulente Nacht findet einmal ihr Ende. Spätestens wenn Chepre die Sonne über den Horizont hebt. Denn dann bahnen sich deren orangegelben Strahlen zartgliedrig ihre Wege durchs frische Grün des frühen Waldes und kitzeln alle Schläfer an Nasenflügeln und Augenlidern so lange, bis sie, zum herrlichen Gesang der Vögel, erwachen und mit einem Lächeln den Tag begrüßen.
So auch widerfährt es Titania und Zettel und den Elfen. Sie hatten in der Nacht noch ordentlich gefeiert mit Kopf- und anderen Massagen, Honigwein, Nüsschen und meditativem Rock’n’Roll. Bis Zettel schließlich erschöpft in den Armen Titanias und Titania glückselig in ihrem Elfenbett und die Elfen hier, da und dort eingeschlafen waren.
Noch zum Gesang der Nachtigall betrat Oberon die Szene. Erst belustigt über die verwobenen Leiber, dauerte ihn dann doch seine sexuell verirrte Titania und er träufelte ihr den Saft vom Stiefmütterchen auf ihre Augen. »Sei, als wäre nichts geschehn! Sieh, wie du zuvor gesehn!«
Und zum Gesang der Lerche, als sie, Titania, dann ihre Augen öffnete und sah - erstarb ihr Lächeln und sie musste sich übergeben. Der herbeigeeilte Puck schüttete sich darüber aus vor Lachen.
»PUCK! Contenance! Gib dem Esel da seinen eigenen Kopf zurück! Und du, meine heiß geliebte Titania, komm! Lass uns durch den frischen Morgentau lustwandeln. Ihr Elfen! Begleitet uns mit einem frohen Lied!«

 

Gesagt und getan in dem Moment, als Zettel erwacht.
»Junge, Junge. Ich hab einen Schädel, als wär‘s nicht der meine. Und … « Doch davon später mehr.

 

Denn zur selben Zeit vermischt sich der Gesang der Elfen mit den Jagdhörnern des Theseus. Einen Tierschützer kann man den wackeren Krieger und König wahrlich nicht nennen. Doch selbst wenn er einer wäre, seine Amazone hat einen Heidenspaß an der Jagd, buchstabiert auf diese Weise Kultur, und die ist für Theseus immer noch eine gewichtige Werbemaßnahme.
Also nochmal: Es vermischen sich der fröhliche Gesang der Vögel und der Elfen mit dem lustigen Schmettern der königlichen Hörner, begleitet vom heiseren Gebell jagdfröhlicher Hunde. Kein Wunder also, dass die vier jungen Athener von diesem kakophonen Lärm erwachen. Und - muss ich’s wirklich noch erwähnen: Hermia und Lysander sehen sich in die Augen, Helena und Demetrius sehen sich in die Augen, und alle verlieben sich grad wie auf den ersten Blick.
Der zweite allerdings fällt dann auf den gestrengen König Theseus. Sofort stammeln Lysander und Demetrius sich männlich aus ihrer Verlegenheit und stimmen damit den Theseus milde. Ach was, milde!? Herrschereuphorisch. Denn er beschließt, dass die jungen Paare zugleich mit ihm und seiner Hippolyta im Palast heiraten werden. Drei Hochzeiten auf einen Streich. Mehr Kultur geht kaum noch. Und er geht, ohne sich umzusehen, mit seiner Hippolyta, voran. Verliebt, Auge in Auge, stolpern die vier jungen Athener über jede Wurzel, die der Wald ihnen zu bieten hat, ihrem König hinterher.

 

Zurück zu unserem einsamen Helden. »Einen Mist habe ich geträumt. Mir war, als wär ich, und mir war, als hätt ich. « Und er kratzt sich im Gesicht. »Doch des Menschen Auge hat's nicht gehört, des Menschen Ohr hat‘s nicht gesehen, des Menschen Hand kann's nicht schmecken, seine Zunge kann‘s nicht begreifen und sein Herz nicht wieder sagen, was mein Traum war.« Zettels Traum eben. Und er beschließt, dass daraus mal ein Buch werden soll. Vielleicht unter einem Pseudonym. Aber dick muss es werden. Sehr dick. Über eintausend Seiten. Und groß muss es werden. Sehr groß. Mindestens DIN A3. Und natürlich schwer. So schwer wie sein Kopf. 10 Kilo wenigstens. Und dreispaltig und mit Randnotizen versehen …
Und mit solchen Eseleien im Kopf macht er sich auf den Weg zum Hause des Peter Squenz.

Dort haben sich unterdessen die anderen Meisters zusammengefunden. Höchst erregt. Denn es ist mittlerweile klar, dass sie in die Endrunde der Ausschreibung des Königs gekommen sind, und noch klarer, dass sie ohne den verloren gegangenen Zettel das Stück nicht werden zur Aufführung bringen können. Es gibt nun mal keinen Zweiten wie den Zettel. Und das gibt Ärger. Mal abgesehen von dem Batzen Geld, den es jetzt auf gar keinen Fall geben wird. Ihnen ist wahrlich zum Heulen zumute, und sicher hätten diese gestandenen Handwerker dies auch getan, wenn nicht Zettel in diesem Moment zur Türe hereingekommen wäre.
Auf keine der vielen Fragen, die seine Ohren nun überfroh umschwirren, auch nur mit einer Eselsmiene eingehend, gibt er, welch ein Profi, ein paar gezielte Anweisungen noch für die seiner Meinung nach sicher anstehende Aufführung vor den Edelleuten, und schon ziehen die Meisters, fröhlich singend, zum Palast ihre Königs. Fast möchte man sie Meistersänger nennen. Doch das wäre dann ein anderes Stück.