3. SATZ, SCHERZO

 

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Mal am Anfang angefangen, was vielleicht spießig ist, aber den Gedankengängen durchaus zuträglich: Sollten Theater“macher“ überhaupt bloggen? Und wenn ja, weshalb ausgerechnet über „ihre“ Idee von Theater? Für wen bloggen sie, wenn sie es tun? Und aus welchem Grund? Vorausgesetzt man ist kein Genie wie Peter Brook, dann kann der Grund doch nur Reklame sein! Reklame in eigener Sache. Und was wäre falsch daran in einer Zeit, die alles und jeden bewirbt? Und – mit allem gebotenen Respekt vorm bereits Beworbenen – schlechter als so manches davon ist das von uns mit viel Herzblut Ge“machte“ auch nicht.  Also: Lasset uns werben! Amen!....

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Schön. Und was genau wollen wir nun bewerben? Unser Endprodukt, die in die Welt gepflanzte Inszenierung, die nun Zuschauer Zuschauer Zuschauer braucht, um zu wachsen und zu blühen? In Tagen der Zuschauerrückläufigkeit sicher sinnvoll. ....

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Genügt dabei ein „Wir spielen …“? Es kommt darauf an. Auf was, bitte? Gute Frage! ....

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Manchmal kommt es darauf, was wir spielen. Aber nicht immer. Als ich vor Jahren von Nicky Silver „Fette Männer im Rock“ inszeniert habe, dachten wir nicht im Traum daran, dass man uns die Bude einrennen würde. Silver war zwar nicht unbekannt und der Titel des Stücks nicht gerade zum Überlesen geeignet, aber dass eine kleine NoName Truppe damit solch einen Zuschauererfolg einfahren könnte, das hätten wir im Vorfeld nicht gedacht. Auch meine Bühnenadaption von Theodor Fontanes „Grete Minde“ ließ die, für die wir gearbeitet hatten, in Scharen strömen. Fontane. Als Schauspiel. Und nicht von Fassbinder. Wer hätte das vorher sehen mögen. Doch sie kamen, sahen und heulten. Andrerseits gab es aber auch schon ziemlich leere Reihen bei Shakespeare oder auch bei einem ziemlich genialen Krimi von Patricia Melo. Beide Spalten ließen sich beliebig auffüllen. Was also müssen wir spielen?....

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Wenn Autoren und Titel so unsicher sind, sind es dann die Themen der Stücke? Beim Grundthema Liebe kann man es kurz machen: Komödiantisch funktioniert es eigentlich immer. Tragisch … na ja. Es kommt darauf an! JAnder Themen: Meine erste Inszenierung war vor vielen Jahren Aristophanes „Lysistrata“. Krieg und Frieden. Als Erstling sicher ungelenk und verbesserungswürdig – aber das Thema kam zur richtigen Zeit. Vor zwei Jahren mein erstes eigenes Stück für ein Freilichttheater: „Der Weiber Treu“. Krieg und Frieden. Nun schon versiert in der Inszenierung – und charmant in seiner Volkstheaterumsetzung. Wieder kam das Thema zur richtigen Zeit. Einmal ein Klassiker, einmal ein NoName. Beide aus unterschiedlichen Gründen qualitativ betrachtet nicht hochprofessionell. Beide mit demselben Grundthema. Und beide funktionierten aufs Vortrefflichste. (Beides sind aber AUCH Komödien.)....

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Müssen wir also mehr auf die Themenwahl achten? Ich sage – und ich gehe dabei auch von mir als Theatergänger aus – ja! Da gibt es zum Beispiel auch die Themen, die – ob sinnvoll oder sinnlos sei dahin gestellt – die Kultusministerien vorgeben. Abiturthemen. In Zeiten der Leseträgheit – und in Ermangelung der filmischen Umsetzungen – werden die Inszenierungen der vorgegeben Stücke und Themen (Auftragsarbeiten!) mehr oder weniger zu Selbstläufern, weil von den Schülern als bebilderte Vorlesestunde gerne in Kauf genommen.  Dass es nicht zwangsläufig die Themen der Zeit sind, die auf die Bühne kommen, ist dabei ein anderes Thema. Aber Vorsicht! Wie bei den allseits beliebten Krimidinnern besteht dabei leicht die Gefahr, dass man seine eigene (und der Spieler) Qualität unterwandert. Denn beides funktioniert verkaufstechnisch (zur Zeit) auf alle Fälle! Und die Konkurrenz ist in diesen Fällen nicht wirklich eine Konkurrenz.....

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Was schrieb ich oben? Dass es nicht zwangsläufig die Themen der Zeit sind, die da auf die Bühnen kommen? Ja, Himmel nochmal, wäre es da nicht Aufgabe der dramaturgisch arbeitenden Theater“macher“, diese Themen aus dem Stück heraus zu arbeiten? Oder soll es die Aufgabe der Zuschauer sein und bleiben? Dies wäre nun die Frage nach dem Selbstverständnis von Theater. Und ob Theater eine Kunstform sein und bleiben darf, wie die anderen Künste auch? Denn selbstverständlich findet sich in jeder guten Kunst, ob nun Komposition, Gemälde, Installation, Buch, ein Zeitbezug und/oder eine Zeitkritik. Aber diese Künste sind aus sich heraus produzierend. Theater … kann auch produzierend sein. Wenn es von ambitionierten Theater“machern“ gemacht wird. Theater kann aber auch – und auch das ist in Ordnung – reproduzierend sein. Den Zeitbezug und/oder die Zeitkritik zu schaffen oblag, obliegt hierbei dem Autor. Die Umsetzenden dürfen es „original“ belassen, oder interpretieren, auch „historisieren“, oder gar„anti-historisieren“, neue, heutige Zeitbezüge schaffen. Theater muss, glaube ich, nicht unbedingt produzieren, Theater darf, glaube ich, auch einfach reproduzieren. Aber – umgekehrt – es muss nicht immer nur reproduzieren, sondern darf auch produzieren.....

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Deshalb: Ja zu Aristophanes und Sophokles, ja zu Shakespeare und Molière, ja zu Pollesch und Stockmann. Ja zu den „alten“ Themen, die, wenn man genau hinblickt, gar nicht alt sind. Ja zu Theater“machern“ (und Lehrern), die es verstehen, die „alten“ Themen durch gute Herangehensweisen und Interpretationen entweder neu gültig zu reproduzieren oder eben neu zu produzieren. Und ja zu „neuen“ Themen, die meist gar nicht neuer sind, sondern nur ein neues, leichter verständliches (konsumierbares) Mäntelchen umgelegt haben, die uns direkt ins Gesicht, in den Magen, ins Herz und in die Seele springen.....

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Vor allem aber auch Ja! zu Billy Wilder, der einmal sagte: „Ich habe 10 Gebote. Die ersten neun lauten: Du sollst nicht langweilen. Das zehnte ist: Du musst den Final Cut haben.“ – Wie wir an unser Theater auch immer heran gehen, wir machen es für die Zuschauer, die, ja, heute genauso schlau, blöd, interessiert, faul, etc. sind, wie früher auch. Es wird immer solche und solche geben. Und ob wir nun vordenken oder (widerwillig) akzeptieren, dass womöglich nicht nachgedacht wird, unterhalten (im allerbesten Sinn) sollte, glaube ich, unser Ziel sein. Da wir aber den Final Cut auf unserer Seite haben, liegt es auch an uns, wie (anspruchsvoll, produzierend, reproduzierend, alt, neu, etc.) diese Unterhaltung am Ende aussieht. Dies ist eine Verantwortung, der wir uns stellen sollen – auch wenn die Zeichen der Zeit eher auf Nichtstellen und Flucht stehen. Nicht nur sollen, dürfen. Denn auch nach vielen Jahren mit Hochs und Tiefs empfinde ich es immer als ein Privileg, Theater „machen“ zu dürfen.....