SIEBZEHN oder DIE HOFNÄRRIN OHNE HOF

Wie lange ich schwanger war, weiß ich nicht mehr. Im Februar 2013 jedenfalls kam es aus der „Klinik“, nachdem ich im Januar zu Hause entbunden hatte.

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich schon viele aus der Bewegung zurückgezogen, die anfänglich Teil der Ursache waren, dass ich mich überhaupt der täglichen Befruchtung mit bitterbösen, abgrundschwarzen und doch zugleich humorvollen Gedanken hingegeben hatte. Weshalb auch der von der Bewegung „versprochene“ fulminante Erfolg von „Meine Tante im Keller“, an den ich zum Glück in solchem Umfang nie geglaubt hatte, ausblieb. Und noch heute schimmeln von den wenigen Erstkopien meines lyrischen Babys zählbare Exemplare an irgendeinem Ort dieser Welt vor sich hin.

Immer wieder trug ich seit damals mein Kind auf eine Bühne, um es dort, in einer Paarung aus väterlichem Stolz und bühnendarstellerischer Versiertheit, einer geneigten Hörerschar zwischen null und beachtlich an Ohr, Hirn und Herz zu legen, um mit meinem bescheidenen Beitrag unterhaltsam die Lanze für die literarische Preziose „Gedicht“ zu brechen. Und natürlich auch, um das Lager zu räumen, so dass Raum entstünde für Zweitkopien. Und in ganz verstiegenen Momenten, nachdem meine Zuhörer mich verschwenderisch mit wundervollen Klatschgeräuschen und enthusiasmierten Worttiraden überschüttet hatten, gar in der Hoffnung, dass man mich eines Tages doch noch dazu auffordern würde, mich noch einmal von Euterpe oder Erato schwarzschwängern zu lassen.

Bis hierher dürfte alles ganz normal sein. Erwartungen. Enttäuschungen. Gehoben werden. Fallengelassen sein. Das kennt man. Leider. In vielen Bereichen des Lebens. Wesentlich seltener widerfährt es einem da schon, dass man aus heiterem Himmel  ein Lob bekommt. Ohne direkten Vorlauf. Umso mehr freut man sich dann aber darüber. Und ich freue mich gerade wie ein Kind an Weihnachten zum siebzehnten Mal.

Kurz nachdem meine Tante das Licht der Welt erblickt hatte, nahmen sich einige liebe Menschen gleich doppelt Zeit für mich, will heißen, sie lasen nicht nur meine Lyrik, sie rezensierten sie obendrein.  Dann verging einige Zeit, bis dies wieder geschah. Dann verging mehr Zeit. Und dann noch mehr Zeit. Bis ich schließlich davon überzeugt war: Jetzt hat man also die Hardware, mein Büchlein, tatsächlich voll und ganz vergessen; was nun nur noch weiterlebt, so meine miserable Selbstvermarktung mal wieder funktionieren sollte, ist die Software, mein Bühnenprogramm von „Meine Tante im Keller“. Umso schöner, wenn man sich täuscht und eines Besseren belehrt wird.

Vierzehnter Dezember 2016. Duplizität der Ereignisse. Gelegentlich schaute und schaue ich beim Versandriesen Amazon vorbei. Und noch gelegentlicher dabei auch nach meinem Buch. Ob es denn überhaupt noch angeboten wird. Und das Auge kommt kaum vorbei an der Zeile mit den Sternchen und der Zahl. So auch an diesem Tag. Siebzehn. Hmm! Und wie viele waren es beim letzten Mal? Auch siebzehn? Oder nur sechzehn? Fünfzehn? Sechzehn? Später! Ich muss noch meine Emails und sonstigen Nachrichten checken, bevor … Bitte? „… hier ist die Rezension [Link] …“ Was für eine Rezension? Was für ein Link? Ein Amazon-Link. Nee, nä? Also doch noch schnell, bevor … Ein Kindergrinsen überwältigte meinen Körper und meine Seele beim Lesen der 17. Rezension für "meine Tante":


Die Zartbitter-Schokolade des Poeten

Ein fein‐herber Genuss ist dieses 80‐seitige Büchlein. Gewiss, doch nur für den, der dieser bitter‐schwarzen Versuchung des Humors nicht zu widerstehen vermag.

Todsicher steht fest: Es ist feinst angerichtete Lyrik von Jürgen M. Brandtner. In seiner Konfiserie werden die besten schwarzen Pralinen komponiert und kredenzt, welche uns dieses gewisse smarte Lächeln abgewinnen.

Doch halt! Das Lesen jenes kurzweiligen Werkes wird nur zum Genuss, wenn man es versteht, der Versuchung auch einmal zu widerstehen. Denn die Ingredienzien dieser lyrischen Kostbarkeiten
sind ausschließlich fein zerhacktes, gekochtes, verwesenes und verbranntes «Humanmaterial» aus Schlachtkammern und Verwesegruben, den finsteren Kellern und verkrusteten Ölküchen.

Wer nun sich angewidert abwenden mag, dem sei der Hinweis erlaubt, dass es sich hierbei in jeder Hinsicht um Humor handelt. Diesen sollte der geneigte Leser durchaus zu eigen sein.

Beeindruckend köstlich ist die Bandbreite der Gedichte in ihrer verfassten Form. Von einfachen Versen über ausladende Balladen bis zur kurzen Prosa ist der Autor ein beachtenswerter Könner
seines Faches.

Am Ende sei noch beiläufig erwähnt, dass ich Herrn Brandtners Kenntnisse zum Umgang mit Humanmaterial als umfassend betrachte und mir wünsche mit Jürgen M. Brandtner nie in Streit zu geraten. ;-)

Volker Wolfram/Sylvia Kling


Ist das normal? Beinahe möchte ich gewohnheitsmäßig schreiben: Nein, das ist nicht normal. Das ist außergewöhnlich. Weil es eben außergewöhnlich ist. Wenn es denn nicht normal wäre, da es normal ist. Zumindest für Silvia Kling und Volker Wolfram.

Wir kennen uns nicht. Und doch kennen Sylvia und ich uns. Wir „trafen“ uns einst auf der Plattform Google +. Und fanden im Siezen respektvollen Gefallen aneinander. Und bald wich das Sie dem Du - doch nie der Respekt!

Während ich mich ja genötigt sehe, mich in allen Bereichen des Wortes auszutoben, vom Schauspiel  bis zum Schreiben, und mich dabei nicht selten in meinen Leidenschaften verzettle, widmet sich Sylvia mit all ihrem Herzen und ihrer Kraft dem Schreiben, genauer: Der Verbindung von Schreiben und Sozialem. Eine Kämpferin in Sachen Literatur und Frieden. Eine Leidenschaftliche in Sachen Miteinander. Eine Verrückte also?

Eher wohl eine Hofnärrin im allerbesten Sinn, wenn sie denn einen Hof hätte. Eine intelligente Frau, die es versteht, durch ihre Literatur und ihr Engagement zu unterhalten und zugleich zum Denken anzuregen. Eine gefährliche Kombination. Für der-die-das Beschriebene. Und für sie selbst – in Zeiten, da die Narrenfreiheit immer öfter, weil von qualitativ armen Spaßmachern ausgenutzt, an den Pranger gestellt wird. Ein bisschen ein weiblicher Villon also?

[…] ich lache weinend, harre hoffnungslos,
getröstet nur in der Verzweiflung Schoß,
und was mich freut, löst nicht das Glücksproblem,
und stark und groß ist doch nichts mit mir los,
ich, gern gesehn und allen unbequem.

[Auszug aus:
François Villon - Sämtliche Werke; dtv; Übersetzung: Carl Fischer]

Sylvia jedenfalls zögerte schon nach kurzer Zeit nicht, mir in ihrem äußerst lesenswerten Blog Raum zu geben, wofür ich ihr von Herzen danke, und ließ sich von meinem bescheidenen, privaten Engagement „Gegen das Vergessen“ zu einem groß angelegten, öffentlichen Internet-Projekt „Gegen das Vergessen“ inspirieren. Ohne sich dabei aber selbst zu vergessen – und also zu schreiben und zu schreiben.

Bislang lies mir mein multiples Tun nur die Zeit, ihren Lyrik-Band „AusGeatmet“ in Gänze zu lesen. (Meine Rezension dazu findet man u.a. auch hier in meinem Blog: ===> AusGeatmet ). Doch es gibt bereits zwei Nachfolge-Bücher von ihr, die auf meiner Wunschliste stehen: „BruchStücke – Band 1“ und „BruchStücke – Band 2“. Und Weiteres von ihr ist bereits in Planung und/oder im Werden.

Neugierig? - Hier geht es zu ihrem Gedicht "Polemisch".

Mit Bewunderung lese ich, wenn ich mir die Zeit nehme(n kann), ihre Beiträge in Facebook und ihre gelegentlichen Emails an mich, in denen sie mir über Gewesenes und Pläne berichtet, manchmal über Persönliches, zumeist über Berufliches, und über die Wechselbäder aus Erfolg und Niederlage. Und dann denke ich mir wieder: Also doch: Eine weibliche Villon:

„…
Ich brenne für alles, was ich tu. … Ich schreibe aus Leidenschaft – und das kann mir niemand nehmen.“ [Sylvia Kling]


Du aber, geneigter Leser dieser Zeilen, du aber kannst dir die Zeit nehmen, eine außergewöhnliche Frau und Schriftstellerin zu entdecken. Und ich kann nur sagen: Es lohnt sich! Unbedingt!
Einfach einen/jeden der nachfolgenden Links anklicken!

Sylvia Kling
- Ihre Webseite
- Ihr Blog
- Ihr Facebook Account
- Ihr „Gegen das Vergessen“ auf Facebook
- Ihr Google + Account



Liebe Sylvia … nein … ich muss hier, wissend, die Etikette verlassen …


Lieber Volker, liebe Sylvia,

abschließend meinen kindlichen Dank für die wundervolle Rezension „meiner Tante“. Ich wünsche euch eine Weihnachtszeit und einen Jahreswechsel – ganz nach euerm Geschmack!

Mit einer virtuellen Umarmung und der Hoffnung, dass uns 2017 näher zueinander bringt,
Jürgen