EIN SOMMERNACHTSTRAUM - AKT 3

Irgendwie nach William Shakespeare

 

Bevor ich die Geschichte weiter erzähle … Wie wäre es denn mit einem kurzen Überblick, wer sich gerade im athenschen Wald aufhält?
Da sind also die vier jungen Athener: Hermia, die den Lysander liebt, der sie, Hermia, liebte, doch nun Helena liebt, wovon sie, Hermia, noch nichts weiß; Helena, die den Demetrius liebt, der sie bislang nicht liebte, sondern die Hermia, die aber den Lysander liebt, der sie nun nicht mehr liebt, wovon sie aber noch nichts weiß und den, Lysander, sie, Hermia, deshalb noch immer liebt; Lysander, der bislang die Hermia liebte, die ihn, Lysander, liebte, der nun aber die Helena liebt, die ihn bislang nicht liebte, die ihn jetzt aber noch weniger liebt, weil er plötzlich sie, Helena, liebt, wovon aber Hermia nichts weiß; und Demetrius, der Hermia liebt, was sie, Hermia, weiß, aber nicht will, da sie, Hermia, ja den Lysander liebt, der sie liebte, wie sie ihn liebte, nun aber nicht mehr liebt, sondern die Helena, die den Demetrius liebt, die der Demetrius aber nicht liebt, da der die Hermia immer noch liebt, die den Lysander immer noch liebt, der sie nicht mehr liebt, und die Helena, er, Demetrius, immer noch nicht liebt. Oder so ähnlich.
Und dann sind da noch alle aus der Elfenwelt. Und - natürlich - die Handwerker!

 

Die Meisters hatten ja beschlossen, dass sie im Wald proben wollen, bei Nacht. Weniger aus Angst vor der NSA oder Spionagesatelliten, die waren damals noch nicht so in Mode, als vor den unbegabteren Kollegen. Und hier sind sie nun also. Ohne die geringste Ahnung, was abseits der Lichtung, auf der sie sich trafen, in dieser Nacht schon alles passiert ist.
Wie das am Theater so ist, wird erst übers Stück diskutiert. Gewichtiges weiß Niklas Zettel einzuwenden. Ohne Zweifel trägt er ein natürliches und untrügliches Gespür in Punkto Bühnenkunst in sich, was von den andern Meisters auch so anerkannt ist. Und er bringt vor:
»Es kommen Dinge in deinem Stück vor, Peter Squenz, die nicht gefallen werden. Zum Beispiel soll Pyramus ein Schwert ziehen, um sich selbst umzubringen. Das können die Damen nicht vertragen. Schreib mir also einen Prolog, in dem steht, dass das Schwert nicht echt ist und dass Pyramus nicht wirklich hopsgeht. Und zur Sicherheit schreib auch noch, dass ich, Pyramus, gar nicht Pyramus bin, sondern Zettel, der Weber. Ja. Das wird ihnen die Furcht nehmen. Außerdem, Meisters, solltet ihr noch dieses überlegen: Einen Löwen vor die Damen des Hofs zu bringen, das kann nach hinten losgehen. Deshalb müssen wir seinen Namen nennen; auch darf er nur ein halbes Kostüm tragen. Und, Peter Squenz, schreib auch Schnock einen Prolog. Denn wenn er erst mit seiner Stimme losbrüllt, fällt selbst ein Löwe ohne die Vorrede in Ohnmacht. «

Wie gesagt, sein Gespür fürs Theater. Peter Squenz wird diese Änderungen, und noch ein paar andere, aufnehmen. Jetzt aber beginnen die ersten Proben.


Was man am Theater ja gar nicht gern hat, ist, wenn sich zu diesen ersten Proben Zuschauer einschleichen. Denn noch werden unkontrolliert Seelen bloß gelegt, manchmal auch Körper, alles ist noch so zart, so verletzlich, im Rohzustand sozusagen, den man noch lange nicht dem öffentlichen Auge und Ohr präsentieren möchte. Doch was soll ich sagen: Trotz aller Abgeschiedenheit des Probenortes - in den Bäumen hängt ein ungebetener Gast. Puck. Und der wartet ganz fickrig auf eine Mitspielgelegenheit.

Die lässt auch nicht lange auf sich warten. Während Flaut sich als Thisbe erprobt, steht Zettel als Pyramus im Gebüsch und wartet auf seinen Auftritt. Puck seilt sich geräuschlos hinter ihm ab. Wir kennen das aus einschlägigen Gangster- und Spionagefilmen. Kurz über dem Kopf des Zettel hält er an, balanciert sich in die Waagerechte und formt seinen linken Zeigefinger zu einem Zauberstab. Ein Uhu uhut. Puck hält inne. Wartet. Doch Zettel, hoch konzentriert, ein Profi eben, hat sich nicht davon ablenken lassen. Flauts Thisbe flötet. Das Stichwort naht. Im letzten Moment berührt Puck mit dem Zauberstabfinger Zettels Kopf und schwebt geräuschlos wieder nach oben.

 

 

Zettel tritt auf. »O Nacht, so schwarz gefärbt. Mit grimmer Miene Nacht …«

Flaut kreischt auf. Wie ein Mädchen. Die anderen Meisters tun es ihm gleich.
Puck, in luftiger Höhe, schüttet sich aus vor Lachen.
»Nun jag ich euch, führ kreuz und quer euch wohl durch Dorn, durch Sumpf, durch Wald.
Bald bin ich Pferd, bald Hund, bald Bär, erschein euch gar als Werwolf bald.
Will grunzen, wiehern, bellen, flammen, wie Eber, Pferd, Hund, Feur zusammen.«
Alle Meisters rennen ins Dunkel der Nacht - und Puck ihnen hinterher. Zurück bleibt ein verdutzter Zettel. Der wartet. Doch keiner kommt zurück. Mit einem »Die wollen wohl einen Esel aus mir machen!?« auf den Lippen trottet er ihnen hinterher.

 

Was er nicht sehen kann und ihr nicht wissen könnt, will ich euch sagen. Zettel hat im Prinzip recht. Nur mit der Wahl des Futurs nicht. Denn tatsächlich ist Zettel bereits ein Esel. Pucks Zauberstabfingerberührung verwandelte ihn dergestalt, dass er an Stelle seines metaphorischen Eselskopfes nun einen echten trägt. Und mit dem stolpert er durch den dunklen Wald. Bis er endlich irgendwo hinkommt und dort über irgendetwas stolpert. Wo und über was weiß er nicht; er sieht ja nichts. Weshalb er sich vorantastet. Was ist das? Eine Wurzel? Nein. Ein Bein? Wie könnt das sein? Er tastet weiter. Warm fühlt es sich an, aber nicht feucht. Weich, aber nicht glibbrig. Als er dann zwei reife Äpfel in seinen Händen zu fühlen meint, schaltet der Mond plötzlich wieder sein Licht an.
»I-Aaahhh!!!«
Die Äpfel sind Brüste. Und gehören … Titania. Die er noch nicht kennt. Die von seinem Schrei erwacht und ihre Augen öffnet.

»Aaahhh!!! - Aahh!! - Aaaaaaaaaaaaaaaaah! Mein Aug ist betört ganz von deiner Gestalt. Du siehst mich hier willig; nimm mich mit Gewalt.«

 

Ich gebe ja zu, Titania geht hier sehr frei mit Weltliteratur um. Aber, mein Gott, sie war heiß. Ihr Traummann stand plötzlich vor ihr. Und besser falsch zitiert beim Flirten, als den Froschkönig im Hals. Ihre Bitte, er solle doch mit ihr kommen, klang irgendwie wie ein Befehl. Da Zettel aber auf diese Domina-Typinnen stand und ihn plötzlich ein ganzes Harem kostümierter und doch irgendwie nackter Weiber umringte, dachte er, das heißt sein bester Freund dachte: Immer der Nase des Johannes nach. Und halb zog sie ihn, halb sank er hin, ging er mit Titania aufs Zimmer.

 

Hier blende ich dann mal aus, den Mond, der sich wieder hinter Wolken verdunkelt, zu Hilfe nehmend.  Denn ich finde, wir müssen uns wieder mehr an unserer Imaginationswurzel packen, denn uns mit Illusionsfertiggerichten zu begnügen. Es mag sich also jede und jeder selbst ausmalen, was ein Mann im Eselskostüm und eine Domina in einem Zimmer so treiben. Szenenwechsel.

 

Puck erklärt gerade Oberon, was zwischenzeitlich so alles passiert ist, als Hermia und Demetrius vorbei kommen. Das heißt, sie stapft wütend, ihn des Mordes an Lysander beschuldigend, den sie bislang nirgends finden konnte, vorne weg, und er gockelt ihr, von seiner Liebe für sie sabbernd und schwörend, dass er dem Lysander, auch wenn er’s vielleicht gern getan hätte, kein Leid angetan habe. Hermia ist das zu blöd und sie lässt den Demetrius einfach im Dunkeln stehen. Dem ist das auch zu blöd, dass sie ihn hat stehen lassen, weshalb er sich hinlegt und ein Nickerchen macht.

 

Oberon ist nun klar, dass Puck gepfuscht hat. Er gibt ihm die Order, schleunigst die andere Frau, Helena, hierher zu bringen, während er selbst dem Demetrius die Augen öffnen und Stiefmütterchensaft einträufeln will. Gesagt, getan. Und schon ist Puck zurück und kündigt das andere athensche Paar an.

 

Bei Helena und Lysander ist es nicht viel anders, als bei Hermia und Demetrius. Nur umgekehrt. Also halt ich’s kurz, denn Demetrius erwacht bereits.
»Helena«, schmachtet Demetrius, »Helena! Helena! Meine He­lena !«

»Was ist denn jetzt los? Auch du?«

»Ich liebe dich!«

»Bitte?«

»Ich liebe dich, Helena. Helena! Helena! Meine Helena.«

»Nun hört mal zu, ihr beiden Pappnasen. Ich weiß ganz genau, dass ihr beide die Hermia liebt und nicht mich. Wegen ihr habt ihr euch schon mehrmals geprügelt. Und mich noch nicht mal mit euerm Hintern angesehen. Und jetzt? Ich rate euch, drosselt euern Spott, ihr Spottdrosseln. Sonst … sonst … sonst gehe ich.«

Und nun, man glaubt es kaum, schachern die beiden um Helena. Die Sache spitzt sich dann schlagartig zu mit dem Auftritt von Hermia, die Lysanders liebliches Bellen herbei gelockt hat. Vier Furien wütend nun über mehr als zweihundert Verszeilen und drehen sich dabei im Kreise, ohne voran zu kommen. Da heißt Oberon Puck den Wahnsinn noch zu steigern. Und der jagt sie über mehr als einhundert Verszeilen kreuz und quer durch die Finsternis, bis alle erschöpft niedersinken und einfach vierstimmig schnarchend einschlafen.

 

Wo Zauberkräfte sinnlos walten, kann echte Lieb sich nicht gestalten. Zitiert Oberon völlig falsch. Diese Fremdzitate müssen nun raus und in den Rest muss wieder mehr Sinn rein. Und das heißt für Oberon: Ordnung. Also ordnen er und Puck die vier jungen Menschen, so wie es sich gehört. Den Lysander legen sie neben die Hermia. Und den Demetrius legen sie neben die Helena.

»Puck?«

»Käptn, mein Käptn!?«

»Hör auf zu zitieren!«

»Ay, ay! … Okay! … Geht in Ordnung! … Äh …«

»Ist ja gut! - Pass auf: Du nimmst dies Stiefmütterchen, ich nehm das. Du - diese vier, ich - Titania und den Esel. Alles klar? «

»Alles klar! - Obwohl … Eine Frage hätte ich noch: When shall we two meet again?«

»PUCK!«